Votum von Bruno Lüscher, Kantonsrat und Präsident personalthurgau anlässlich der Grossratssitzung vom 24. Nov. 2021 zum Eintreten auf den Voranschlag 2022
Bruno Lüscher, FDP: Ich spreche als Präsident von personalthurgau, dem Dachverband der Berufs- und Personalorganisationen aus Bildung, Gesundheit und Verwaltung. Wie jedes Jahr an dieser Stelle werden im diesem Rat Stimmen laut, die einerseits die Lohnentwicklung für das Staatspersonal und andererseits das Stellenwachstum kritisieren oder zumindest in Frage stellen. Als Interessenvertreter der rund 3’900 Kantonsangestellten für die ca. 2’900 ordentlichen Stellen, und das sowohl für den Werkhof- oder Strassenunterhaltsmitarbeiter bis hin zur Gerichtspräsidentin oder dem Präsidenten, für die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter oder Amtsleiterinnen und Amtsleiter, wünschte ich mir schon etwas mehr Rückhalt und weniger Vorbehalte gegenüber dem öffentlichen Personal.
Die Kantonsangestellten stehen jeden Tag im Schaufenster. Sie sind somit der Kritik der Öffentlichkeit ausgeliefert. Das ist gerade in einer Zeit, in der feststellbar sehr viel Frust und Staatsverdrossenheit die Gesellschaft prägen, beileibe keine leichte Aufgabe. Das spüren übrigens auch die vielen Angestellten der Politischen Gemeinden und der Schulgemeinden. Für Vertreter der grössten Volkspartei unseres Kantons wäre es vielleicht einmal angebracht, in die Gesellschaft hineinzuhorchen, wo die Forderungen herkommen und wo nicht.
Meines Erachtens sind die Ratsmitglieder das Abbild der Gesellschaft. Ich möchte ein Beispiel zum Bauen erwähnen: Monate, wenn nicht Jahre, wird hin und her überlegt, ob man bauen will oder nicht. Dann endlich fällt der Entscheid. Jetzt soll es aber rasch gehen. Die Baubewilligung sollte vorliegen, bevor das Baugesuch eingereicht ist. Womöglich sollte schon der Rasen gemäht sein.
Ein weiteres Beispiel zu den Steuern: Bis die Steuererklärung endlich eingereicht wird, vergehen Monate, und das sogar ohne Verlängerung des Eingabedatums. Wenn die Steuererklärung endlich eingereicht ist, soll am nächsten Tag auch gleich die Veranlagung, und zwar ohne jegliche Veränderung, vorliegen. Diese Vorstellung herrscht in der Gesellschaft vor. Man wartet und wartet, verlangt dann aber sofort eine Antwort oder einen Entscheid. Man ist nicht bereit, auf die Abläufe Rücksicht zu nehmen. Dass damit der Druck auf mehr Personal steigt, ob immer auch gerechtfertigt oder nicht, ist nicht zu verleugnen.
Hinzu kommt, dass das Parlament – wir sind wie erwähnt das Abbild der Gesellschaft – durch seine Gesetze und sonstigen Forderungen mit Motionen und Interpellationen am Stellenwachstum mitbeteiligt ist. Gemäss Botschaft sind dies aktuell mindestens 14 Stellen im Bereich der Umsetzung. Dies alles kann aber selbst mit dem viel gelobten Digitalisierungsglaube nicht wettgemacht werden, da danach sofort zusätzliche Erwartungen damit verbunden werden. Selbstverständlich ist auch mir bewusst, dass es Angestellte gibt, bei denen Kritik sehr wohl angebracht ist. Dies ist aber eine Führungsaufgabe. Im Übrigen ist das in jedem kleinen und mittleren Unternehmen oder Grossunternehmen, so hoch gepriesen sie auch werden, ebenso der Fall.
Auch personalthurgau ist nicht zu 100 % mit dem Regierungsrat zufrieden. Nebst den 0,4 % generelle haben wir noch zusätzlich 0,6 % individuelle Lohnanpassungen gefordert. Wir wollten also, dass der Regierungsrat seine Kompetenz von
1 % endlich wieder einmal ausnützt. Im Gegensatz zu den Votanten der SVP-Fraktion sind wir mit dem Entscheid des Regierungsrates aber sehr zufrieden. Er hat nämlich endlich dem Teuerungsvorsprung, der seit über 15 Jahren mitgeschleift wird, abgeschworen. Der Regierungsrat möchte für die kommenden generellen Lohnentwicklungen ein neues Berechnungssystem einführen. Der Regierungsrat hat den Entscheid allerdings nicht kampflos mit personalthurgau
gefällt. Im Gegenteil, das Thema war seit Jahren immer wieder Gegenstand der Gespräche der Sozialpartner.